Entspannte Lage

Immer weniger Flüchtlinge kommen nach Deutschland: Das spürt der Verein Brunsbüttel hilft

Frauen unter sich: Christiane Sengebusch und Anette Nöldeke (von rechts) betreuen unter anderem jeden Mittwochnachmittag die Frauenrunde im I-Treff an der Koogstraße.  Foto und Text von Hengameh Habib
Frauen unter sich: Christiane Sengebusch und Anette Nöldeke (von rechts) betreuen unter anderem jeden Mittwochnachmittag die Frauenrunde im I-Treff an der Koogstraße. Foto und Text von Hengameh Habib

In einer Ausnahmesituation haben Brunsbütteler Stärke bewiesen: Als 2015 Hunderte Flüchtlinge die Stadt erreichten, wurde der Verein Brunsbüttel hilft gegründet, um den Menschen den Start im neuen Land zu erleichtern. Mittlerweile ist ein wenig Ruhe eingekehrt. Zu tun gibt es aber noch allerhand.
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 186 644 Asylsuchende registriert; deutlich weniger als 2016, wo nach Angaben des Bundesinnenministeriums noch 280 000 Asylanträge gezählt wurden. Auch in Brunsbüttel spüren die zuständigen Behörden, dass sich die Situation entspannt hat. „Seit Jahresbeginn haben wir bislang sechs neue Zuweisungen“, sagt Frauke Rath vom Fachdienst Asylbewerberleistungen. Das sei der Normalzustand, der vor der Flüchtlingswelle 2015 herrschte. In jenem Sommer musste der Fachdienst, der Zugleich die Asylangelegenheiten für die Ämter Burg-St. Michaelisdonn und Marne-Nordsee übernimmt, noch pro Woche 20 bis 30 Fälle aufnehmen. Nun haben die Mitarbeiter Gelegenheit, alles abzuarbeiten. Waren es im Januar vergangenen Jahres noch 286 Fälle, so sind es aktuell 148, bei denen der Aufenthaltsstatus noch ungeklärt ist. Hinter dieser Zahl verbergen sich mehr als 200 Menschen, die noch hoffen und bangen.
Die deutlich entspannte Situation spüren auch die ehrenamtlichen Kräfte des Vereins Brunsbüttel hilft. „Wir haben einen festen Bestand von vielen Flüchtlingen, die zu uns kommen, aber ganz neue sind kaum noch dabei“, sagt Christiane Sengebusch, Helferin der ersten Stunde. Die chaotischen Anfänge sind einer Routine gewichen. „Vor allem ist die Kommunikation anders geworden. Wir können uns heute mit den Flüchtlingen gut unterhalten. Anders als vorher, wo man sich mit Händen und Füßen helfen musste“, sagt Anette Nöldeke, die sich ebenfalls von Beginn an bei Brunsbüttel hilft engagiert. Die Flüchtlinge, die 2015 noch weitgehend verloren wirkten, sind heute selbstständiger geworden. „Unterstützung brauchen sie noch bei Behördenbriefen, beim Ausfüllen von Formularen oder, wenn sie zum Arzt gehen müssen“, sagt Christiane Sengebusch.
Verändert haben sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren die Probleme, mit denen es die Menschen zu tun haben. „Die Wohnungssuche stellt sich als große Herausforderung dar“, sagt Sengebusch. Viele, die bereits einen anerkannten Aufenthaltsstatus haben, leben noch immer in den Wohnungen, die ihnen bei ihrer Ankunft zugewiesen wurden - und diese seien in der Regel klein. „Wenn sie viel haben, dann sind es maximal 80 Quadratmeter, und dann wohnen sie teilweise mit sechs, sieben Menschen dort.“ Passende Wohnräume seien rar und manche Vermieter lehne es ab, an Flüchtlinge zu vermieten, so die Erfahrung der Helfer. Die Arbeitsmarktsituation bereite einigen ebenso Kopfzerbrechen. „Die meisten wollen etwas machen. Allein schon deswegen, weil sie nicht wissen, was sie mit ihrer Zeit sonst anfangen sollen“, sagt Sengebusch. Sie wünschen sich, dass in dem Bereich für Flüchtlinge mehr gemacht wird. „Das sind nicht mal hochtrabende Wünsche, die sie haben. Einer will zum Beispiel eine Ausbildung als Maler absolvieren. Aber er findet nichts“, sagt Sengebusch und Anette Nöldeke fügt hinzu: „Es schlummern hier einige Fähigkeiten, die nicht gefördert werden.“
Die beiden Helferinnen haben beobachtet, dass sich auch das Zusammenleben der Flüchtlinge untereinander verändert hat. „Besteht jemand den Sprachkurs, dann wird zusammen gefeiert. Sie unterstützen sich auch gegenseitig, indem sie beispielsweise Babykleidung untereinander austauschen.“ Und sie öffnen sich gegenüber ihren Helfern. Anfangs dominierten in den Gesprächen die Schilderungen von der Flucht nach Europa. Heute erzählen sie von der Schönheit ihrer Heimatländer und schwelgen in guten Erinnerungen. „Die Syrer verfolgen die Entwicklungen in ihrem Heimatland ganz genau und hegen die Hoffnung, dass sich die Situation in ihrem Heimatland verbessert“, sagt Christiane Sengebusch.
Zweieinhalb Jahre nach der Flüchtlingswelle ziehen Anette Nöldeke und Christiane Sengebusch eine positive Bilanz. Sie seien überrascht von der positiven Entwicklung und davon, wie „selbstverständlich die Flüchtlinge zu unserem Leben gehören.“